Jugendwerkhöfe in der DDR
ein dunkles Kapitel sozialistischer Heimerziehung


 

 

Das Ende des Geschlossenen Jugendwerkhofs Torgau

Jeder Jugendliche, der in Torgau einsaß, konnte den Tag seiner Entlassung kaum abwarten, auch wenn ihnen das genaue Datum nicht bekannt war. Bei gutem Betragen wurde manchmal die Aufenthaltsdauer verkürzt, genauso aber verlängerte man den Aufenthalt beliebig, wenn der Jugendliche negativ auffiel. In der Regel verlief die Entlassung sehr unerwartet. Man wurde aus seinem Alltag gerissen und in Arrest geführt. Nach einer Nacht in der Zelle, kam man in die Kleiderkammer, wo man seine eigene Kleidung wiederbekam. Meist merkten die Jugendlichen erst dann, dass sie entlassen wurden. Unter gleichen Sicherheitsvorkehrungen wie bei der Anreise wurden die Jugendlichen in ihre Stammheime zurück gebracht. Doch bevor sie „abtransportiert“ wurden, mussten sie noch eine Festlegung unterschreiben, wo sie sich verpflichteten, im kommenden Vierteljahr die Torgauer Einrichtung über ihre Arbeits- und Lernfortschritte, sowie über ihr Gesamtverhalten zu informieren. Zweiteinweisungen waren keine Seltenheit, manche Jugendliche waren sogar drei oder vier Mal in Torgau. Ab dem 2.November 1989 wurde ein starker Anstieg der Entlassungen. Unmittelbar danach wurde durch einen Telefonanruf des Ministeriums für Volksbildung der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau ganz überstürzt aufgelöst. Die politische Wende in der DDR hat auch den Jugendwerkhof Torgau getroffen. Nachdem am 17. November die letzte Entlassung stattfand, blieben die Erzieher und Angestellten zurück. Sie bauten alles nach Möglichkeit um, entfernten Gitter und Fensterblenden um den Charakter des Gebäudes zu verändern. Das Internat der Hilfsschule in Torgau zog anschließend in das Gebäude und die ehemaligen Mitarbeiter des Jugendwerkhofes blieben als Fachpersonal und kümmerten sich um außerschulische Betreuung. Im März 1990 wurden sie zunächst als Angestellte des Landratsamtes übernommen. Erst im Sommer 1990 drängten örtliche Repräsentanten der Bürgerbewegung auf die Gründung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses.